Jahrestagung 2016

Was wird aus dem RU in der Zukunft?

Das Fach „Religion und Kultur“ im Kanton Zürich

Bericht von der Jahrestagung des Fachverbands 2016
Berichterstatter: Eckhart Marggraf

Die veränderten Rahmenbedingungen für den RU sind für alle Beteiligten unübersehbar. Die Zahl der religiös oder konfessionell nicht Gebundenen nimmt deutlich zu. Eine konfessionelle oder religiöse Homogenität von Klassen ist in unseren Schulen nur noch eine Seltenheit. Der islamische RU wird auch in Baden-Württemberg zur Regel. Der Ethik-Unterricht kann das Problem religiöser und kultureller Vielfalt und die Herausforderungen der religiös-kulturellen Integration nicht leisten. Der badische Fachverband sieht es daher als seine Aufgabe an, Anregungen und Impulse zum Nachdenken zu geben. Dazu gehört es, sich umzusehen, wo an Lösungen gearbeitet und neue Ideen erprobt werden.

Im Kanton Zürich hat man sich mit der Einführung eines neuen Faches „Religion und Kultur“ auf einen neuen Weg begeben. Im Rahmen der Mitgliederversammlung am 8. Oktober 2016 berichtete Frau Prof. Dr. Eva Ebel vom Konzept und den ersten Erfahrungen. Sie ist wesentlich an der Umsetzung in der Ausbildung der Lehrpersonen am Institut Unterstrass der Pädagogischen Hochschule Zürich beteiligt.
In der Zürcher Volksschule wird das Fach in Klasse 1 – 8 mit je einer Wochenstunde obligatorisch für alle Schülerinnen und Schüler erteilt (ab Klasse 4 mit Noten bewertet). Für Lehrpersonen der Primarstufe ist „Religion und Kultur“ eines von 7 -8 Fächern, die von jeder Lehrperson unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit zu unterrichten sind. Grundlage sind „Religions- und Meinungsfreiheit“ und das „Verbot religiöser Handlungen“. Voraussetzung bei den Lehrenden ist es, „sich seines eigenen Standpunktes bewusst zu sein“ und damit „sensibel und behutsam“ umzugehen.
BlickpunktZiel des Unterrichts ist der Erwerb der Kompetenz im Umgang mit religiösen Fragen, die sich vor allem in Dialogfähigkeit und Respekt erweisen muss. Beteiligt sind Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus. Alle fünf Religionen sind gleichwertig. Ein obligatorisches Lehr- und Lernmittel steht mit der Reihe „Blickpunkt“ zur Verfügung:
lehrmittelverlag-zuerich.ch/Lehrmittel-Sites/Blickpunkt-ReligionKultur/

Die Erarbeitung der Lehrmittel wird von einer „Kontaktgruppe Religion“ begleitet, in der die
verschiedenen Religionsgemeinschaften und Konfessionen vertreten sind. Sie steht unter der Leitung des renomierten Pädagogen Prof. Dr. Jürgen Ölkers.
lehrmittelverlag-zuerich.ch/Lehrmittel-Sites/Blickpunkt-ReligionKultur/.../Konzept/
Blickpunkt
Alle fünf Religionen stehen in gleichen Anteilen nebeneinander. Der didaktische Ausgangspunkt liegt bei der Erfahrungswelt der Kinder und erschließt einen Weg von der Sachkunde zur Religion. So erscheint es plausibel, dass in der Primarstufe ein Schwerpunkt auf dem Christentum liegt. Die Stellung des Faches wurde dadurch erheblich gestärkt, dass in der Regel die Klassenlehrer das Fach unterrichten. Es hat bei den Schülerinnen und Schülern erheblich an Zustimmung gewonnen und ist weithin „Lieblingsfach“.

Von großer Bedeutung ist die politische und gesellschaftliche Verankerung des neuen Fachs. Nachdem der Staat im Kanton Zürich 2003 die Finanzierung des bisherigen Religionsunterrichts eingestellt hatte, kam es zu einer Volksinitiative (mit 50.000 Unterschriften) gegen diese Entscheidung. Als Reaktion darauf schlug der Regierungsrat die Einführung des Faches „Religion und Kultur“ vor. 2007 wurde mit 104 zu 11 Stimmen durch den Kantonsrat die Einführung beschlossen und die Volksinitiative zurückgezogen.

Das schulische Konzept des Faches „Religion und Kultur“ ist als eines von zwei Gleisen zu verstehen. Von Seiten der Evang.-Reformierten Kirche in Zürich tritt als zweites Gleis ein „Religionspädagogisches Gesamtkonzept“ hinzu. Es sieht ein Obligatorium von insgesamt 192 Stunden für die Altersgruppe von der 2. bis zur 7. Klasse vor, das von ca. 50 % der Kinder und Jugendlichen wahrgenommen wird. Hinzu tritt ein Konfirmandenunterricht der 72 Std. umfasst.
Unübersehbar ist hier die Problematik einer Spannung von Obligatorik und Freiwilligkeit angesichts der Konkurrenzen in der Freizeitgesellschaft.
Darüber hinaus wird gegenwärtig in den Kantonen der Deutschschweiz unter dem Stichwort „Lehrplan 21“ zum ersten Mal ein gemeinsamer Rahmenplan bedacht, der für den Kindergarten und die Klassen 1 – 9 als Teilbereich des Faches "Natur, Mensch, Gemeinschaft" die Perspektive "Ethik, Religionen, Gemeinschaft" vorsieht, ein völliges Novum.

Zum Schluss die Einschätzung des Beobachters und Berichterstatters: Der Blick nach Zürich bringt das Nachdenken auch in Baden-Württemberg in Bewegung, wo bisher über den Konfessionell-Kooperativen RU hinaus ein gewisses behäbiges bis ängstliches Klammern am überkommenen Konzept eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der veränderten gesellschaftlichen Lage verhindert hat. Nicht einmal ein regulärer Kontakt und geordneter Austausch zwischen den in diesem Fachbereich agierenden Gruppen (konfessioneller RU, Islamischer RU, Ethik) ist bislang in die Wege geleitet. Zürich ist sicher nicht die „Lösung“ aber es ist dringend erforderlich, dass gerade auch die Kirchen über neue Wege nachdenken und sich nicht in der „Alternativlosigkeit“ des Herkömmlichen einmauern. Sie sollten mit den Religionslehrkräften ein Nachdenken und auch Erproben von neuen Wegen bestärken. Der Fachverband hat dazu einen guten Impuls gegeben.
Eckhart Marggraf

 

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