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29.11.2016

Diskussionen um den konfessionellen Religionsunterricht

Rundbrief 2015ein Kommentar von Joachim Ruopp für den Rundbrief 2016 der Fachgemeinschaft evangelischer Religionslehrer- und Religionslehrerinnen in Württemberg e.V.


Eigentlich stellen wir an dieser Stelle Bücher vor. Dieses Mal ist es ein Artikel des emeritierten katholischen Religionspädagogen Norbert Scholl. Er hat in Publik Forum, Ausgabe 19/2016, (der Artikel bei publik-forum.de) provozierend geschrieben: Schafft diesen Religionsunterricht ab! Das Demonstrativum ist laut zu hören. Scholl plädiert dafür, religiöse Bildung in Zukunft so zu formatieren, dass ein Unterricht im Klassenverband erfolgt, in dem Verständnis und Toleranz eingeübt werden und die religiösen Differenzen von gemeinsamen Wertorientierungen eingefasst und eingehegt werden. Als nicht zukunftsfähig gilt ihm dagegen der konfessionelle Religionsunterricht, der sich durch den gesellschaftlichen Wandel, die Immigration, die Abmeldungen vom RU schlicht überlebt habe und ein Privileg der Kirchen sei, auf das sie um der Lauterkeit ihres Zeugnisses willen besser verzichten soll.

Ein wichtiges Thema, na klar. Aber ein ärgerlicher Artikel, finde ich. Wenig Phänomenologie (was ist denn mit den Erfahrungen aus alternativen Konzepten und Praxisformen in Deutschland – kein Wort davon), wenig Geschichtsbewusstsein (dient Artikel 7 des Grundgesetzes nicht gerade der Befriedung des religiösen Pluralismus, den Scholl als für zu herausfordernd hält?). Welche Inhalte künftige religiöse Bildung vermitteln soll, das erklärt Scholl flugs mit Hilfe von ein bisschen Tillich, ein bisschen Kant, ein bisschen Hans Küng und ein bisschen Papst Franziskus.

Konfessioneller Religionsunterricht ist vor allem eine Frage der Perspektive und der Didaktik. Schulen lassen es sich gefallen, dass Religion auch im öffentlichen Raum ein Gesicht bekommt und laut werden darf. Vertreterinnen und Vertreter der Glaubensweisen mit einem konstruktiv-kritischen, positiv-lebendigen Verhältnis zu ihrer eigenen Herkunft und zu den geronnenen Traditionsbeständen gestalten religiöse Bildungsprozesse. Konfessionalität heißt für mich, ein positives commitment (Bernd Schröder) didaktisch abbildbar zu machen. Dass gerade das überhaupt nicht zum Kleinmachen anderer religiöser Bindungen führt, ist eine Erfahrung, die man in Berufsschulen, in Förderschulen, in Werkrealschulen, in Hamburg und in vielen Projekten in der Republik macht – doch davon ist keine Rede bei Scholl.

Was wir nicht brauchen, sind aufgeladene ideologische Debatten mit heilversprechenden Großlösungen. Ist man dafür anfälliger als Emeritus – ist das eine Generalabrechnung mit dem eigenen Berufsleben? Was wir brauchen, sind mutige Schritte zu einem kooperativem christlichem Religionsunterricht und Wertschätzung und Begleitung für die vielfältigen Formen innerhalb des konfessionellen Religionsunterrichts, einschließlich religiöser Bildung für Muslime.

Fachgemeinschaft evangelischer Religionslehrer- und Religionslehrerinnen in Württemberg e.V.


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