•     25.10.2022

Landessynode diskutiert intensiv über friedensethische Position der Kirche

Landesbischöfin Heike Springhart
Landesbischöfin
Heike Springhart
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine hat sich die badische Landessynode am 25.10. in Bad Herrenalb mit der kirchlichen Position im Spannungsfeld von Krieg und Frieden beschäftigt. Landesbischöfin Heike Springhart (Karlsruhe) ermutigte die Kirche dazu, „in Demut eine neue Kultur der Ratlosigkeit“ zu pflegen. Die Forderung nach Gewaltlosigkeit sei dabei ein starkes Signal, „wenn sie von denen kommt, die von der Gewalt unmittelbar betroffen sind“. Auch in den weiteren Vorträgen und Diskussionen wurde intensiv mit dem Thema gerungen.

Die Kirche steht für Springhart vor der Herausforderung, „selbstbewusst und klar Stellung zu beziehen – dies aber im Bewusstsein, damit eben nicht alle Dilemmata aufzulösen und nicht das letzte politische Wort zu sprechen.“ Diese Haltung würde „einer verletzlichen Kirche gut zu Gesicht stehen“, weil damit neue „Zwischenräume für einen realistischen Blick auf die Komplexität der Lage“ entstehen. Die Landesbischöfin wörtlich: „Damit meine ich nicht, dass wir schulterzuckend schweigen. Aber ich meine, dass eine theologisch begründete Kultur der Ratlosigkeit den Raum und Realismus dafür schaffen würde, dass politische Entscheidungen unter dem konkreten Handlungsdruck immer auch Entscheidungen bleiben, die nicht frei von Schuld sind.“ Im Ringen um den richtigen Weg sei stets die Perspektive zentral, von der aus formuliert werde, was dem Frieden diene, sagte Springhart.

Die Landesbischöfin bekräftigte, dass die Kirche an der Seite der Opfer von Gewalt stehe. „Sofern wir nicht unmittelbar betroffen sind, kann die Aufgabe der Kirche und der Friedensethik nicht darin bestehen, den Bedrohten Gewaltlosigkeit nahezulegen und ihnen das Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen“ erklärte die Landesbischöfin. „Aber der Fokus muss darauf liegen, die Kräfte zu stärken, die dem Frieden dienen, die Gewaltlosigkeit wagen und die sich auf Schritte der Versöhnung machen.“

Der Heidelberger Theologieprofessor Christoph Strohm erklärte, das Böse in der Welt lasse sich „nicht durch gutes Zureden und mit noch so viel gutem Willen und Anstrengung überwinden. Wir brauchen in der unerlösten Welt Gewaltmittel gegen die Macht des Bösen.“ Wenn ein Aggressor wisse, dass ihm nicht mit Gewaltmitteln Einhalt geboten wird, bestehe die Gefahr, den Aggressor geradezu zu ermutigen, seine Aggression in die Tat umzusetzen. „Hätte man den Sieg des russischen Aggressors mit militärischen Mitteln nicht zumindest teilweise gestoppt, wäre das ein elementarer Zusammenbruch der internationalen Rechts- und Friedensordnung gewesen“, erklärte Strohm. Der Theologe würdigte zugleich den Wert und kulturgeschichtlichen Ertrag der Lehre vom gerechten Krieg: „Es ist eine große geistes-, theologie- und rechtsgeschichtliche Leistung, dass man intensiv diskutiert hat, unter welchen sehr eng begrenzten Kriterien Krieg geführt werden darf und welche Schranken im Krieg eingehalten werden müssen.“

Für Oberkirchenrat i. R. Christoph Schneider-Harpprecht (Karlsruhe) müsse die Kirche vorrangig Not leidenden Menschen helfen und weder Waffenlieferungen noch den Verteidigungskrieg gutheißen. Die Kirche müsse „vor allen Menschen Zeugnis ablegen für das Ende der militärischen Gewalt und für Gewaltfreiheit als Ziel des menschlichen Zusammenlebens und des politischen Handelns.“ Schneider-Harpprecht rief dazu auf, jetzt bereits die Nachkriegszeit einzuplanen und Maßnahmen auf den Kern des Konzepts „Sicherheit neu denken“ zu fokussieren, dessen bewusst, dass nachhaltige Entwicklung von Frieden abhängt. Dazu gehöre, auch mit Russland Versöhnungsarbeit zu leisten, gewaltfreie, nicht militärische Konfliktlösungen anzustreben, in Prävention zu investieren, statt in den militärischen Sektor, und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen umzusetzen.

Ähnliche Ansichten aus der internationalen Ökumene formulierte Fernando Enns von der Arbeitsstelle „Theologie der Friedenskirchen“ an der Universität Hamburg in einem Videobeitrag. Er ermutigte die Kirchen dazu, auf die Stimmen der Friedensbewegungen in Russland und in der Ukraine zu hören und die „sehr differenzierten innerorthodoxen Debatten“ wahrzunehmen. Auch er forderte, mit allen möglichen gewaltfreien Mitteln einen Waffenstillstand herbeizuführen. Vermittler aus China, Indien, Indonesien oder der Afrikanischen Union könne er sich gut vorstellen. Enns kritisierte den Begriff der Zeitenwende, der aktuell die Friedensdiskussion bestimmt. Er würde dafür verwendet, die massive Schuldenaufnahme in Rüstung und Militär zu legitimieren. Die Zeitenwende sei jedoch bereits mit dem Kommen Christi erfolgt, „der offenbarten Feindesliebe Gottes gegenüber allen Menschen wie der gesamten Schöpfung“.

(28.10.22) Im Anschluss an den Studientag zum Thema Frieden verabschiedete die badische Landessynode während ihrer Abschlusssitzung eine Erklärung: „Als Evangelische Landeskirche in Baden bleiben wir auf dem Weg hin zum gerechten Frieden. Zugleich sehen wir die moralischen Dilemmata. Auch in unserer Kirche gibt es unterschiedliche friedensethische Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit“, heißt es in der Erklärung. „Unsere Aufgabe als Kirche ist es, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um Gesprächskanäle in Krisenzeiten offenzuhalten, denen, die um friedliche Lösungen ringen den Rücken zu stärken, konkrete humanitäre Hilfe zu leisten, Traumatisierten und Geflüchteten sichere Räume und Zuflucht zu gewähren und so den Boden dafür zu bereiten, dass Wege der Versöhnung gesucht und gefunden werden.“

Quelle: Pressemeldung ekiba.de


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